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So erlebe ich das Alter

Ein Interview mit Herta Heldt

"Leben ist immer eine Entscheidung - und was sich daraus entwickelt, das muss ich annehmen."

Ich will mich Ihnen kurz vorstellen. Mein Name ist Herta Heldt. Am 02. Mai 1910 bin ich in Berlin geboren und dort mit vier Geschwistern aufgewachsen. Ich habe geheiratet und vier Kindern das Leben geschenkt. Durch eine zweite Heirat kam ich 1964 nach Ebernhahn. Seit dem Tod meines Mannes 1966 lebe ich alleine und versuche, mein Leben zu meistern. Die Sehnsucht nach Berlin ist oft groß. Dort wohnt noch meine Familie. Seit 1971 wohne ich in meiner kleinen, gemütlichen Wohnung mit Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad. Ich fühle mich wohl, bin zufrieden, wie es ist und möchte mein Leben nach Möglichkeit nicht ändern.

Was ich tun kann, das mache ich. Ich bin froh, für mich alleine zu sein und hoffe, dass Gott es gnädig mit mir meint, damit ich, so lange es geht, für mich alleine wirtschaften kann. Ich koche mir noch alles selbst. Freundliche Nachbarn, Freunde aus dem Ort, bringen mir alles mit, und die Töchter schicken mir Pakete mit Kleinigkeiten.
Einmal in der Woche lege ich einen Kochtag ein. Dann friere ich Portionen ein und nehme sie nach Bedarf aus der Tiefkühltruhe. Dabei bin ich sehr genügsam: 1-2 Kartoffeln, mittags mit Gemüse, vor allem mit Soße. Rouladen esse ich besonders gerne.

Mein Lieblingsplatz ist am Tisch in der Küche. Auf Fotos an der Wand ist meine ganze Familie versammelt. Auf der einen Seite die Lebenden - auf der anderen Seite die Verstorbenen. Obwohl ich alleine bin, habe ich sie alle um mich.

Das Leben geht mir - gerade jetzt mit 93 Jahren - zu schnell vorbei. Ich habe Bücher bestellt, die kann ich sicher nicht mehr alle lesen. Ein wunderbares Hobby habe ich seit damals, als ich noch ein junges Mädchen war: Kreuzworträtsel lösen! Dabei vergesse ich oft die Zeit, so vertiefe ich mich in die Rätselfragen. Unzählige Rätselhefte und Blöcke habe ich schon gelöst - so halte ich meinen Verstand fit.

Alleine nach draußen gehen kann ich nicht mehr. Ich brauche jemanden, an dem ich mich festhalten kann. Je nach Gesundheitszustand wage ich mich zum monatlichen Seniorentreffen ins Pfarrheim und zum Gottesdienst. Aber es wird mir immer beschwerlicher. Seit zwei Jahren bekomme ich die Krankenkommunion zu Hause. Ich richte im Wohnzimmer ein kleines Altärchen mit frischen Blumen, Kerzen, dem Kreuz, Weihwasser und freue mich auf den Besuch des Pfarrers bzw. einer Mitarbeiterin vom Pastoralteam.

Ich war immer eine Kirchgängerin. Einen Sonntag ohne Messe, das gab's bei mir nie. Ich wurde so erzogen und habe es beibehalten. An Sonntagen ziehe ich mich immer chic an, mache keine schwere Hausarbeit - daran halte ich bis heute fest. Das ist mir wichtig.

Ich hätte nie geglaubt, dass ich so alt werden würde. Als junges Mädchen hatte ich immer ein schlechtes Blutbild. Die Pflege meines Mannes half mir, viel seelisches Leid zu ertragen.
Von Natur aus bin ich ein zufriedener Mensch. Zum Leben reicht das. Mancher alte Mensch wäre zufrieden, wenn er umsorgt würde; ich liebe es, allein zu sein, weil ich mich beschäftigen kann. Zum Glück habe ich noch einen wachen Verstand, wenn ich auch manches vergesse. Nicht vergessen kann ich, was früher war. Ich habe ja die Bilder in der Küche - mit jedem spreche ich!

Gerne und oft telefoniere ich mit meinen Kindern. Vieles lässt irn Alter nach, die Schrift wird zittrig und mein Rücken schmerzt oft. Auch sonst fällt mir einiges schwer, besonders das Treppensteigen. Aber ich bin zufrieden und will nie das Danken vergessen. Mein Ziel war und bleibt: Zufriedenheit - Dankbarkeit! Wenn Gott sagt: Herta, nun komm! - dann gehe ich.

Wenn ich mich nicht so entschieden hätte, wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Es ergibt sich alles und ich nahm immer alles so an und lege alles in Gottes Hände.

Das Gespräch zeichnete Claudia Keßler auf.
Der Artikel erschien im Januar 2004 in "Brücke der Hoffnung", Zeitschrift der Armen Dienstmägde Jesu Christi, Dernbach, Deutsche Provinz


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