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![]() geheiratet am 02.10.1911 in Berlin |
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* 05.07.1885 Katscher † 27.02.1973 Berlin |
* 16.06.1886 Berlin † 12.08.1976 Berlin |
Anna ist die Tochter von [22] HERMANN DUWE und MARIA FRANKEN. Dort finden Sie auch die Kurzbiografie über Anna.
Georg ist der Sohn von [20] GUSTAV REISCH und ANNA LEHNERT.
9:45 Uhr, ein kleines, schwächliches Knäblein erblickt das Licht der Welt. Seine Mutter hat es noch rechtzeitig geschafft, auf dem Weg zur Kirche umzukehren und nach Hause zu eilen. In der Kirche feierte ihr Bruder Johannes Lehnert die Primiz seines Priesterlebens. Während er das „Lasset uns beten!“ sprach, vollzogen die Daheimgebliebenen im Hause Reisch beim Neugeborenen die Nottaufe und gaben ihm den Namen Georg. Was am Geburtstage kaum ein Angehöriger zu hoffen wagte, wurde wahr: Georg fand es auf der Erde gar nicht so schlecht. Er entwickelte sich, wurde kräftig und lebensfähig und blieb über 87 Jahre auf diesem Stern. In all den Jahren wartete er geduldig auf eine bessere Zeit für sein Erdendasein. Georg kannte die Prognose, die man ihm bei seiner Geburt gestellt hatte. Damals legte er sich sein spitzbübisches Lächeln zu. Er freute sich, wenn er Gelegenheit bekam, es zu gebrauchen, denn von Natur aus war er ein sehr ernster Mann. Im Umgang mit seinen Mitmenschen gewann er durch seine gepflegte Freundlichkeit und die Kunst des Zuhörens. In seiner Freizeit nutzte er die schönen Dinge unseres Lebens, um durch sie neue Kräfte für den Alltag zu gewinnen: Literatur, Konzerte, Theater-, Opern- und Kirchenbesuche, Spaziergänge in gesunder Natur und zu interessanten Baudenkmälern. An Gesprächen konnte er sich dadurch ausgiebig beteiligen, versuchte aber nie Misstöne durch Untoleranz, Aufdringlichkeit, Recht- und Besserwisserei. Jeder müsste ihn allein schon deshalb gerne haben. Außer diesen angenehmen Eigenschaften besaß er eine uneingeschränkte Hilfsbereitschaft.

Anna Duwe und Georg Reisch
Von Georgs Kindheit und Jugendzeit ist nicht viel zu berichten. Die Mutter starb, als er sieben Jahre alt war. Eine Stiefmutter und bald eine zweite Stiefmutter konnten den ersten harten Schlag in seinem jungen Leben nicht heilen. Seine Schulausbildung erhielt er auf der achtklassigen katholischen Elementar-Schule in Krotfeld (April 1891-März 1899), danach kam er auf das Gymnasium. Er besuchte es nur zwei Jahre. Das dort erworbene Latein genügte um im Heimatort in die Drogistenlehre genommen zu werden. Später war er dann bei einem Berliner Drogisten (Verwandter aus Lehnerts-Seite?) in der Elsasser Str. tätig.
Diese Umsetzung eines jungen empfindsamen Lebens aus der dörflich weiträumigen, lichten Kleinstadt Katscher in die düstere, von hässlichen, hohen Häusern und engen Straßen gelegenen Berliner Wohngebiet zwischen Oranienburger Tor und Stettiner Bahnhof, war nicht leicht. Georg war ein Fremder in Berlin, ohne Bekannte, Freunde, Verwandte, an die er sich in seiner seelischen Einsamkeit anlehnen konnte. So suchte er oft Trost in der Kapelle des nahe gelegenen Krankenhauses St. Hedwig in der Gr. Hamburger Straße. Der junge, ernste Mann muss der Oberschwester Huberta aufgefallen sein. Es kam zu einem vertrauensvollen Gespräch, dass dazu führte, dass Georg als Krankenwärter in der Krankenabteilung I eingestellt (Feb. 1905 - Sept. 1908) wurde. Dort lernte er Dominikus Bayer und Martin Schur kennen. Verwandte von Martin Schur lebten ebenfalls in Katscher. Mit beiden blieb Georg bis zu ihrem Tod verbunden. 1908 war Georgs Adresse bei Herrn Lux in der Kissingenstr. 93 in Berlin-Pankow, danach zog er nach Moabit in die Waldenserstr. 9.
Dominikus Bayer heiratete von den dreien als erster. Er eröffnete ein Beerdigungs-Institut in Moabit. Bei einer Tauffeier hatte er neben Georg und sein Freund Martin Schur auch den Küster von St. Paulus mit seinen Töchtern eingeladen. So lernten Georg und Martin ihre zukünftigen Frauen kennen. Durch Vermittlung von Hermann Duwe kam Georg in eine neue Anstellung bei der Disconto Bank - später Deutsche Bank - in Berlin. 1943 und 1944 wird ihm dort noch ein Jahreseinkommen von je RM 4.274,19 bescheinigt. Martin Schur heiratete 1912 Hedwig Duwe und ein halbes Jahr vorher, am 02.10.1911 heiratet Georg Anna Duwe.
Georg zog am Tage nach der Hochzeit mit seiner Frau in die Turmstr. 44, Vorderhaus 3 Treppen rechts, ein, für Anna war es nur ein Wohnungswechsel im Haus. Die Miete betrug 500,00 Mark jährlich, zahlbar in monatlichen Raten. Das Haus gehört dem St. Hedwig-Frauenverein, hat einen Durchgang zum Kath. Waisenhaus und zur St. Paulus - Kirche. Das Haus gehört also zum katholischen Zentrum Moabits. Während der Ausbildung im 1. Weltkrieg zum Rekruten bekam er eine Knieverletzung, die vereiterte und eine Operation notwendig machte. Das Soldatenleben war damit für ihn beendet.
Georg und Anna hatten vier Kinder, alle geboren in Berlin:
- [5] BRIGITTA * 04.10.1912 † 18.03.1984
sie heiratet am 02.10.1936 in Berlin [4] RUDOLF WOELKY - HUBERTUS * 30.07.1917 † als Säugling
- GEORG JOHANNES * 15.02.1919 † 17.02.1960
Georg Johannes 1924Georg Johannes wurde in großer Notzeit geboren. Der I. Weltkrieg war vor einem Vierteljahr mit weiträumigen Verlusten für Deutschland zu Ende gegangen. Die Kornkammer Deutschlands kam an Polen, und die Deutschen kämpften sich mit ihrem Hunger durch den Kohlrübenwinter 1918/19. Vielleicht bekamen Georgs Eltern hin und wieder ein Lebensmittelpaket von den Verwandten aus Schlesien.
Nach vier Jahren Grundschule wurde Georg auf das Canisius-Kolleg am Lietzensee (Charlottenburg) geschickt. Schulgeld und Schulbücher waren teuer. Dem Vater fielen die Zahlungen schwer und dem Sohne in der Pubertätszeit das Lernen. Deshalb kam Georg schon vor Erreichen der oberen Klasse vom Gymnasium und wurde kaufm. Lehrling bei Peek & Cloppenburg. Nach der Lehre arbeitete er als Verkäufer bei der selben Firma in Berlin-Steglitz, Schloßstraße.
Georg Johannes 1944Die Arbeit in der Konfektion war nur eine Episode. All zu schnell wurde sie abgelöst durch den Einberufungsbefehl zum Arbeitsdienst und gleich anschließend zur Wehrmacht. Nach der Ausbildung steckten sie ihn in das Afrika-Korps. In Nord-Afrika holte er sich die Amöbenruhr, die ihn lange dienstunfähig machte.
Gegen Ende des Afrika-Feldzuges gerät er in amerikanische Gefangenschaft und wird nach Kalifornien transportiert. Georg musste in Obst-Plantagen arbeiten. Der Krieg ist noch nicht zu Ende. Nachrichten von Georg erreichen die Angehörigen in der Heimat nicht mehr. Erst im Herbst 1946 erfuhren die Eltern auf mysteriöse Weise von seinem Aufenthalt in einem Münchener Krankenhaus. Georg Johannes ist ein menschliches Wrack, Zucker- und Nervenkrank. Das für ihn so notwendige Insulin ist so kurz nach dem Krieg kaum noch vorhanden. Wieder daheim erschloss er sich weder seinen Eltern noch anderen.
Georg Johannes † 17.02.1960Er kapselte sich ein, und keiner wusste so recht, wie ihm ist und was mit ihm los ist. Er fand jahrelang keine Arbeit und wollte dennoch sein Geld selbst verdienen. Solange Fahrten nach Ostberlin ohne Schwierigkeiten möglich waren, versuchte er es durch Kauf und Wiederverkauf von Waren. Mehr als ein Taschengeld kam für ihn dabei nicht heraus.
Nach 1950 wurde er einige Monate im Notstandsprogramm der Stadt Berlin beschäftigt. Eine Dauerbeschäftigung gab es für ihn nicht mehr. Seine Zuckerkrankheit verschlechterte sich. Am 13.Februar 1960, am Geburtstag seines Bruders Hermann, half er der Mutter die Wohnung für die Familienfeier herzurichten. Als er mit allen Arbeiten fertig war, legte er sich hin um auszuruhen bis der Besuch einträfe. Er wurde nicht mehr wach. Sein Leben war voll Tragik, Leid und Not. Er hat es getragen mit großer Geduld in tiefer Religiosität. - HERMANN * 13.02.1923 † 14.07.2003
er heiratet am 12.07.1971 in Berlin HELGA OSTERMANN
Hochzeit 1971
Hermann 13.02.2003
Hermann 1941Nach abgeschlossenem Grundschulbesuch (41. Volksschule in Berlin-Tiergarten) durchlief Hermann von 1937-40 die kaufmännische Lehre bei der Firma Sächsische Gußstahl-Handels-G.m.b.H. in Berlin-Tempelhof, Germaniastraße und besuchte die Fachschule für Stahl- und Eisenhandel. Nach beendeter Lehrzeit verblieb er als kaufmännischer Angestellter im Rechnungsbüro bei der Firma bis zu seiner Einberufung im April 1941.
1943 wurde Hermann in Russland verwundet. September 1944 geriet er in amerikanische Gefangenschaft und wurde 1946 aus derselben entlassen. Da sich nach dem Kriege keine Möglichkeit bot, in seinem Beruf wieder arbeiten zu können, war er anfangs in der Westzone in der Landwirtschaft tätig, dann in Berlin 1948-49 als Vertreter, Aushilfsarbeiter und bei der Luftbrücke. Seit August 1949 war er arbeitslos und besuche Abendkurse und dergleichen, soweit ihm das pekunär möglich war. 1951 erhielt Hermann eine Anstellung bei der Deutschen Waggon- und Maschinenfabriken GmbH als Hilfskalkulator und wurde 1952 als Nachkalkulator übernommen.
Bevor der 2. Weltkrieg richtig ausbrach hatte ihre Tochter Brigitta geheiratet und ihnen bereits zwei Enkelkinder beschert. Als Großeltern nahmen Georg und Anna ihre Pflichten sehr genau und halfen der Tochter wann und wo sie nur konnten. In den folgenden Jahren wurden die Luftangriffe auf Berlin immer häufiger. Georg wurde Luftschutzwart für das Haus Turmstr. 44 und hatte besonders den Boden zu kontrollieren, damit Brandbomben keinen großen Schaden anrichten.
Georg konnte nach dem Kriege seiner Arbeit als Bankangestellter nicht mehr nachgehen. Das Bankgebäude war zerstört und lag außerdem jetzt im russischen Sektor.
Wer sich in den ersten Jahren sein Geld nicht auf dem Schwarzmarkt machte, musste an Arbeit annehmen, was geboten wurde, ohne wählerisch zu sein. Von seinen beiden Söhnen, Georg(2) und Hermann hatte Georg noch kein Lebenszeichen. Erst 1946/47 kamen der Sohn Georg aus amerikanischer und der Sohn Hermann aus englischer Gefangenschaft. Vater Georg scheute vor keiner Arbeit zurück. So arbeitete er als Nachportier, als Angestellter auf der Flüchtlingsstelle, als Helfer auf dem Haupt-Paketpostamt. Bevor er 1951 endlich Rente beziehen konnte, waren dennoch einige Monate der Arbeitslosigkeit zu überstehen. Nun war er durch seine Tochter inzwischen zum fünften Male Großvater geworden und bei jeder Großwäsche sah man Vater Georg der Tochter in der Waschküche helfen und die Leine ziehen. Seine Frau hatte mit dem Haushalt und den Jungen zu tun, Der Sohn Georg war krank aus der Gefangenschaft gekommen.

02.10.1971

02.10.1971
1970, ein Jahr vor ihrer Diamantenen Hochzeit, mussten Georg und Anna aus Altersgründen ihren Haushalt aufgeben und zogen zur Tochter in die Claudiusstr. 12 (Berlin-Hansaviertel). Als die Tochter dann aber wegen eines Beinleidens für mehrere Wochen ins Krankenhaus musste, blieb im Februar 1972 für die beiden Alten nur noch der Weg in ein Altenheim übrig. Ein Jahr später verabschiedete sich Georg von dieser Welt.
Anna musste noch einige Heimwechsel verkraften bis sie drei Jahre später ihrem Mann folgen konnte.
